Noch im Dezember letzten Jahres startete die
Rechtsanwaltskanzlei Röhlke eine Klagewelle gegen die ALAG Automobil GmbH & Co. KG. Diese hatte – vorwiegend in den Jahren 2002-2004 – atypisch stille Gesellschaftsbeteiligungen an ihrem Unternehmen vertreiben lassen. Die atypisch stillen Beteiligungen wurden als enorm renditeträchtige und besonders sichere Kapitalanlagen vertrieben. Eine Eignung zur Altersvorsorge wurde den Anlegern durch Vermittler häufig versichert. Im Juli diesen Jahres klärte die ALAG ihre atypisch stillen Gesellschafter dann darüber auf, dass sie liquidiert werden müsse. Viele Anleger nahmen dies zum Anlass eine Rechtsanwaltskanzlei aufzusuchen.
Das Landgericht Hamburg berichtet mittlerweile von einem Eingang hunderter Klageschriftsätzen. Auch an anderen Gerichten sind Klagen anhängig geworden.
Die Klagen scheinen erfolgversprechend. Denn: „Das Kapitalanlagemodell sah eine absolut unrealistische Rendite von rund 10 Prozent p.A. vor. Hinzu kamen enorm hohe Vertriebskosten, sodass die aufgemachte Rechnung nicht aufgehen konnte. Zudem gehen wir von etlichen weiteren Prospektfehlern aus.“, so der Berliner Rechtsanwalt Röhlke, der sich schon seit Jahren mit atypischen stillen Beteiligungen beschäftigt.
Das windschiefe Geschäftsmodell
ALAG, Lease Trend, ALBIS, NordLease – das Konzept dieser durch das Hause Rothmann & Cie. vertriebenen atypisch stillen Beteiligungen ist immer wieder das gleiche: Es gibt drei Arten, die Gesellschaftseinlage zu leisten: Classic, Plus und Sprint:
Classic: Tatsächlich handelt es sich hierbei noch um die klassischste der Gesellschaftsbeteiligungen, denn die Einlage wird direkt nach Abschluss voll geleistet. Dies wird dem Modell der atypischen stillen Beteiligung am ehesten gerecht. Problematisch ist jedoch, dass die geleistete Einlage plangemäß wieder in jährlichen Raten an den Anleger ausgeschüttet werden soll. Für den Anleger, der davon ausgeht, Gewinne ausgeschüttet zu bekommen, ein Kaufanreiz. Erst wenn die an ihn gezahlten Beträge zurückgefordert werden, versteht er aber, dass anstatt Gewinnen die eigene Einlage ausbezahlt wurde.
Plus: Bei der Anlagevariante Plus handelt es sich um das instabilste Produkt der Serie. Es wird nur in Kombination mit der Classic-Variante angeboten. Von der einmal geleisteten Einlage wird jährlich ein Teil in die Plus-Beteiligung überführt. Der Anleger hat damit Gesellschaftseinlagen in doppelter Höhe seines gezahlten Betrages gezeichnet. Er muss damit auch den doppelten Vertriebskostenanteil tragen. Das kann rechnerisch nur mit absurd hohen Renditevorstellungen funktionieren. Was der Verbraucher nicht weiß: er trägt das doppelte Risiko und schon bei nicht ganz so hohen Renditen kann dieses Anlagemodell zum Desaster werden. Im Fall der illiquiden ALAG könnte es sogar dazu kommen, dass die Plus-Einlage nachträglich eingefordert wird. Dies drohte die ALAG in einem Schreiben an die Anleger im Juli letzten Jahres bereits an.
Sprint: Beim Sprint-Modell wird die anfangs gezeichnete Einlage mit einer Anzahlung und dann in monatlichen Raten abgezahlt. Eigentlich – aber das ist kaum einem Anleger bewusst – handelt es sich dabei um eine Art Kauf auf Raten, also eine Kreditfinanzierung. Denn die Einlage wird bei Vertragsschluss in voller Höhe gezeichnet. Die geleistete Anzahlung dient hauptsächlich der Deckung der hohen Vertriebskosten. Am Falle der ALAG wird deutlich, wie die Vorstellung von Anlegern, die denken sie betreiben eine Art des Ratensparens und die Realität auseinandergehen. Denn hier ist die Beteiligung inzwischen wertlos und offene Raten werden bis zur vollen Einlagenhöhe von den Anlegern weiter gefordert.
Was ist eine Gesellschaftseinlage?
Hochproblematisch ist, dass die meisten Verbraucher nicht Wissen, was eine Einlage genau ist. In den Emissionsprospekten tauchen die Wörter Rateneinlage und Einmaleinlage auf. Der Anleger geht daher in der Regel davon aus, die Einlage sei der Betrag, den er tatsächlich eingelegt hat. Falsch ist das auch nicht. Man nennt dies die geleistete Einlage.
Hiervon unterschieden wird allerdings die bedungene Einlage. Diese bezeichnet den gesamten Zeichnungsbetrag. Diese bedungene Einlage meint auch § 236 Abs. 2 HGB, in dem steht
Ist die Einlage rückständig, so hat sie der stille Gesellschafter bis zu dem Betrag, welcher zur Deckung seines Anteils am Verlust erforderlich ist, zur Insolvenzmasse einzuzahlen.
Eine Aufklärung hierüber hat wohl kaum ein Anleger erfahren. Rechtsanwalt Röhlke hierzu: „Es ist schon unglaublich: Keinem meiner Mandanten wurde erklärt, dass die volle Einlagesumme zu zahlen sein kann, wenn das Unternehmen insolvent wird.“
Das OLG Thüringen hielt dies bereits mit Urteil vom 26.02.2003 für aufklärungsbedürftig.
Atypisch stille Beteiligungen und Altersvorsorge – Ein Widerspruch
Die atypisch stille Gesellschaftsbeteiligung ist ein Steuersparmodell mit hohem Risiko. Denn der Anleger hängt von einem Unternehmen ab und bindet sich meist für eine sehr lange Zeit (in der Regel 10 Jahre und länger). Um für das Alter vorzusorgen, wollen Anleger meist das Gegenteil. Sie wollen eine höchstmögliche Sicherheit. Diese wird entweder durch ein sehr stabiles Unternehmen oder durch eine breite Streuung gewährleistet. Die Vorstellung des Anlegers von einer stabilen Altersvorsorge und die atypisch stille Beteiligung treffen sich nur in einem Punkt – dem der langen Anlagedauer.
Die Konzeptionisten des Rothmann & Cie. Konzerns haben aber noch ein weiteres Anlegerinteresse erkannt. Sie spielten dem Anleger vor, der Auto-Leasing-Markt garantiere eine breite Streuung. Das klingt vielleicht auf den ersten Blick plausibel, die Argumentation geht jedoch völlig fehl. Eine breite Streuung kann sich nur durch die Beteiligung an vielen verschiedenen Unternehmen ergeben. Nicht jedoch durch ein Unternehmen, welches sich an viele Geschäftspartner bindet. Schließlich ist auch die Fabrik, die möglichst viele verschiedene Teile produziert nicht mehr vor Insolvenz geschützt als diejenige, die sich auf ein Teil spezialisiert.
Hinzu kommt die enorm hohe Abhängigkeit von Fremdkapital, die diese Gesellschaften besonders risikoträchtig macht. In den Prospekten wird hingegen widersprüchlicherweise mit der Bankenunabhängigkeit geworben.
Die ewige Angst vor der Verjährung
Wo ein Beratungsfehler länger als 3 Jahre zurück liegt, bangen geschädigte Anleger stets darum, ihre Ansprüche könnten verjährt sein. Schon kurz nach der Schuldrechtsmodernisierung 2002 trat dieses Problem in das Licht der Öffentlichkeit. Vor allem im Rahmen der Schrottimmobilienskandale waren haufenweise Ansprüche verjährt. Auf politische Abhilfe warten Verbraucherschützer bis heute vergebens.
Doch den meisten Anlegern hilft die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes: Denn einerseits beginnt die dreijährige Verjährung nach § 194 BGB erst mit Kenntnis aller Anspruchsbegründenden Tatsachen. Hierzu gehört auch die konkrete Kenntnis der Prospektfehler (vgl. Urt. v. 18. Dezember 2000 – II ZR 84/99). Regelmäßig kann der Anleger diese Prospektfehler erst dann erkennen, wenn er einen Rechtsanwalt aufsucht. Denn die Angaben in den Emissionsprospekt sind meistens viel zu undurchsichtig. Oft bringt erst die Analyse durch rechtsanwaltlich beauftragte Finanzgutachter Ordnung in das Zahlengestrüpp.
In einem aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19.11.2009 bestätigt dieser noch einmal, dass jeder Beratungsfehler der zur Anlageentscheidung geführt hat, gesondert betrachtet werden muss. Die Verjährung beginnt also für jeden Beratungsfehler erst dann, wenn der Anleger Kenntnis davon haben kann, dass die Beratung falsch war.
Rechtsanwalt Röhlke sieht daher gute Chancen für geschädigte Anleger: „In den allermeisten Fällen können wir viel für die geschädigten Anleger tun. Es muss dabei in zwei Richtungen gearbeitet werden: In erster Linie müssen wir den Anleger davor schützen, weiteren Zahlungsansprüchen ausgesetzt zu sein. Gleichzeitig fordern wir gezahlte Beträge zurück. Wir hoffen bereits mit den Klagen gegen die ALAG beide Ziele zu erreichen. “