Das Hornberger Schießen
Zuerst habe sie ein Geldverschiebungsmodell errichtet, dann ein Geldvernichtungsmodell. Erfrischend klare Worte fand Insolvenzverwalter Peter Knöpfel in der heutigen Gläubigerversammlung über die Geschäftspolitik der insolventen Securenta Göttinger Immobilienanlagen und Vermögensmanagement AG. Für die Anleger ist dies allerdings eine bittere Klarheit – sie werden sich wohl mit einem Totalverlust ihrer Einlagen abfinden müssen und können nur hoffen, von weiteren Forderungen, etwa des Finanzamtes verschont zu werden.
In einer teilweise recht turbulenten Gläubigerversammlung präsentierte Knöpfel zunächst die unbarmherzigen Fakten: atypisch stille Beteiligungsverträge in einer Höhe von sagenhaften 2,5 Milliarden Euro habe die Securenta AG abgeschlossen. Aufgrund der Möglichkeit ratierlicher Zahlungen von Anlegern seien indes lediglich 900 Millionen Euro auch tatsächlich gezahlt worden. Bei einer Kostenbelastung der Beteiligungsverträge von 22-23 % der jeweiligen Zeichnungssumme ergaben sich Kosten von ca. 550 Millionen Euro, die sofort an Vertriebspartner gezahlt wurden und dem Unternehmen nicht für Investitionen zur Verfügung standen. Gemeinsam mit den Kosten für konzerninterne Verwendungen und den Aufwendungen für die konzernangehörige Partin-Bank von 120 Mio € verblieben insgesamt nur 180 Mio € für Investitionen. Diese wiederum entwickelten sich fast durchweg – Ausnahme nur im Bereich der Gutingia Lebensversicherung – negativ, so das als einzig verwertbares Vermögen von dem Insolvenzverwalter der Immobilienbestand präsentiert werden konnte, für den ein Luxemburger Unternehmen 37 Mio € zahlen will. Die Kaufverträge wurden von der Gläubigerversammlung genehmigt.
Die übrigen Immobilien sowie die Lebensversicherungstochter sind bereits vor Insolvenzeröffnung verkauft worden. Da die verbliebenen Immobilien beliehen waren und insoweit vorrangige Forderungen zu befriedigen sind, ist allerdings mit einem Zufluss zur Masse nur in Höhe von 5 % des Kaufpreises, also ca. 1,85 Mio € zu rechnen. Gemeinsam mit den Barbeständen der Securenta AG von ca. 1 Mio € also ein
erschütterndes Ergebnis, bedenkt man die 900 Mio gezahlten €.
Das Geld wurde anfangs an den Vertrieb verschoben und anschließend vernichtet, so Knöpfel der offen ließ, ob die atypisch stillen Beteiligten nun überhaupt ihre Forderungen wie normale Insolvenzgläubiger anmelden können oder nicht. Die Vertreter der Großgläubiger – Finanzamt und ein Kreditinstitut – bestritten dies. Nach Knöpfels Ansicht würde eine Anerkennung der Forderungen als normale Insolvenzforderung sogar möglicherweise dazu führen, dass die Finanzämter rückwirkend die Steuervorteile wieder aberkennen. Ob Knöpfel selbst die Anleger noch aus den ratierlichen Verträgen oder auf Rückzahlung bereits geleisteter Rückzahlungen i Anspruch nehmen wird, ließ er offen.
Kritik der versammelten Gläubigervertreter – überwiegend Anlegeranwälte – zog sich der Insolvenzverwalter durch die Aussage zur Behandlung weiterhin zahlender Anleger zu. Zwar ist auch Knöpfel, der Meinung, das durch die eröffnete Insolvenz die stillen Beteiligungsverträge beendet sind. Doch anders als sein Berliner Pendant Rattunde, Insolvenzverwalter über das Vermögen der Göttinger Gruppe Holding KGaA“, nimmt Knöpfel weiterhin ratierliche Zahlungen entgegen. „Wenn die Anleger weiter zahlen, nehme ich das Geld“. Rattunde dagegen hatte den Einzug gestoppt.
Kritik und gar der Versuch eines Befangenheitsantrages hagelte es auch auf das Amtsgericht Göttingen. Nachdem zunächst zur atmosphärischen Beruhigung von Seiten des Gerichts in Aussicht gestellt wurde, für die Abstimmungen alle Gläubiger gleich zu behandeln, zählte dieses Versprechen nach den Abstimmungen anscheinend nichtmehr. Zunächst wurde abgestimmt über die Abberufung Knöpfels als Insolvenzverwalter und die Berufung des anwesenden Rattunde. Bei der Auszählung dann gelang es dem Amtsgericht dann nach eigener Angabe nicht, eine eindeutige Mehrheit zu ermitteln. Die Weigerung, wenigstens die ungefähren Abstimmungsergebnisse zu beziffern, führte prompt zu einem Befangenheitsantrag und zu der anschließenden Bemerkung, über die Berechtigung der Stimmabgabe der stillen Gesellschafter werde noch entschieden. Die Sitzung wurde vertragt auf den 13.05.2008, 09.00 h, ohne das der Tagesordnungspunkt „Wahl eines Gläubigerausschusses“ noch angesprochen wurde.
Einziges greifbares Ergebnis der Versammlung sind somit die von Knöpfel präsentierten Zahlen, die Mitteilung über die voraussichtliche Dauer des Verfahrens von 10-12 Jahren und die Genehmigung der Kaufverträge über die Immobilien.
„Die anscheinend unendliche Geschichte der Göttinger Gruppe und insbesondere der Bericht des Insolvenzverwalters Knöpfels belegen deutlich die Schwächen derartiger Ratensparpläne“, meint Christian-H. Röhlke, Rechtsanwalt in Berlin.“Das Geld der Anleger dient in den ersten Jahren der Finanzierung des Vertriebs mit hohen Provisionsanreizen. Diese Verluste sind nur schwer wieder in den folgenden Jahren wieder aufzuholen – wenn das Unternehmen nicht vollends in dieser Weichkostenfalle stecken bleibt.“