Spezialisten leben gefährlich
Mit Urteil vom 05.03.2009 (III ZR 17/08) hat der BGH einen weiteren Dauerbrenner im Bereich der Vermittlerhaftung konkretisiert. In der Sache geht es um die Prüfungspflichten eines Kapitalanlagevermittlers bezüglich der Plausibilität der vertriebenen Anlage. Der bisherige Stand der Rechtsprechung war, dass ein Kapitalanlagevermittler eine eigenständigen Überprüfung der Plausibilität der angebotenen Kapitalanlage dem Kunden schuldet. Sofern der Anlagevermittler diese Plausibilitätsprüfung nicht vornimmt und sich allein auf die Angaben des Produktgebers beschränkt, war dies den Kunden offen zu legen. Der BGH schwächt diese Haftung einerseits ab, verschärft sie dagegen andererseits.
Die Erleichterung besteht darin, dass Schadenersatz nicht allein aufgrund der nicht offen gelegten, unterlassenen Plausibilitätsprüfung verlangt werden kann. Hierfür ist künftig erforderlich, dass der Vermittler die fehlende Plausibilität bei einer hypothetisch durchzuführenden Prüfung auch hätte erkennen können. Verschärft wird dagegen die Haftung desjenigen, der besondere Sachkunde in dem speziellen Gebiet für sich in Ankunft nimmt: Diese Vermittler trifft eine weitergehende Ermittlungspflicht, die ggf. sogar zur Überprüfung von Gutachten (im entschiedenen Falle ein Windgutachten) führen kann.
Die Vorinstanz hatte den Anlagevermittler noch zur Haftung gezogen, weil er eine Plausibilitätsprüfung nicht vorgenommen hatte, keine über die Beratungsunterlagen des Produktgebers hinausgehenden eigenen Erkundigungen eingezogen hatte und dies dem Anleger nicht offen gelegt hatte. Schon hierin war nach Ansicht des OLG Hamm ein schadenersatzbegründendes Verhalten zu sehen, ohne das es auf das Ergebnis einer tatsächlich durchgeführten Plausibilitätsprüfung ankam. Diesen sehr weitgehenden Ansatz verfolgt der Bundesgerichtshof in der Entscheidung nicht.
Zwar wird die bisherige Rechtsprechung des BGH bestätigt, dass der Anlagevermittler eine Plausibilitätsprüfung des Kapitalanlageprojektes und des Prospektes schuldet und eine Überprüfung vorzunehmen hat, ob der Prospekt in sich ein schlüssiges Gesamtbild über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die darin enthaltenen Informationen sachlich vollständig und richtig sind. Ebenfalls wird bestätigt, dass es im Fall der unterbliebenen Plausibilitätsprüfung eine Hinweispflicht auf eben diesen Umstand gibt. Allerdings gebietet der Schutzzweck der Prüfungspflicht es nicht, den Anlagevermittler auch dann zu Schadenersatzzahlungen heran zu ziehen, wenn der Prospekt einer Plausibilitätsprüfung in den für die Anlageentscheidung wesentlichen Punkten standgehalten hätte. Konkret ist also jeweils festzustellen, ob eine hypothetische Untersuchung des Prospektes auf Plausibilität Anlass zu Beanstandung gegeben hätte. Hätte der Prospekt dieser Prüfung standgehalten, kommt ein Schadenersatzanspruch nicht in Betracht.
Allerdings hat das Urteil auch für die Anlagevermittler einige Haftungsverschärfungen parat. Wenn nämlich der Emissionsprospekt einer Plausibilitätsprüfung nicht standgehalten hätte, stellt sich für den Vermittler die Frage, ob er die Mängel des Prospektes hätte erkennen müssen. Für den Umstand, dass er auch bei sorgfältiger Prüfung diese Fehler nicht erkannt hätte, ist der Vermittler voll beweisbelastet. Hier nun stellte sich die Frage, welchen Aufwand der Vermittler bei der Überprüfung der Plausibilität treiben muss. Hier will der BGH keine übertriebenen Anforderungen an den Vermittler stellen und die Prüfungspflicht jeweils im Einzelfall bestimmt wissen. Im entschiedenen Falle hatte sich der Vermittler allerdings als Spezialist für die Beteiligungen an Windparks beteiligt, so dass der Anleger ihm einen gehörigen Vertrauensvorschuss entgegen brachte. Nicht ausgeschlossen wird jedenfalls eine Überprüfungspflicht eines entsprechend spezialisierten Vermittlers auch bezüglich der einer Ertragsprognose zugrunde liegenden Windgutachten in wissenschaftlicher und meteorologischer Hinsicht.
Im Ergebnis führt dies natürlich dazu, dass für den spezialisierten Vermittler stärkere Haftungsrisiken bestehen als für denjenigen, der sich nicht auf bestimmte Kapitalanlageformen spezialisiert hat. Abzuwarten bleibt, ob die Entscheidung zu einem „Expertensterben“ führen wird und der Wettbewerbsvorteil der Spezialisierung für einige Vermittler nicht zu einem Nachteil werden kann.