Haftungsrisiken von Anlagevermittlern erweitert
Der Bundesgerichtshof hat mit einem aktuellen Urteil (XI ZR 170/07 vom 19.02.2008) zur Haftung eines Geschäftsführers einer Kapitalanlageberatungsfirma Stellung genommen und dabei die Voraussetzung einer persönlichen Haftung weiter konkretisiert. Dabei ist die Haftung teilweise abgemildert, teilweise verschärft worden.
Der Kläger des vom BGH entschiedenen Verfahrens hatte sich gegenüber dem Beklagten als „moderat risikobereit“ eingestuft, woraufhin ihm vom Beklagten der Erwerb nicht börsennotierter Aktien der V AG empfohlen wurde. Zur Finanzierung dieser Aktien, es sollten über 50.000,00 € bezahlt werden, kündigte der Anleger zwei Lebensversicherung und ließ das Geld direkt an die GmbH des Beklagten überweisen. Dieser erwarb dann die Aktien. Unmittelbar darauf fielen sowohl die V AG als auch die GmbH des Beklagten in die Insolvenz.
Ein Sachverhalt, der sich beinahe täglich auf dem grauen Kapitalmarkt abspielt. Ebenso wenig ungewöhnlich ist die Taktik, die der Anleger nun wählte: er verklagte den Geschäftsführer der Anlagebaratungsfirma persönlich – alle anderen Beteiligten waren ja schon insolvent.
Da aber der Kapitalanlageberatungsvertrag mit der Firma des Beklagten abgeschlossen war, einer GmbH, und nicht mit dem Beklagten persönlich, konnte der Anleger nicht aus einer Vertragsverletzung klagen und mußte seine Ansprüche mit einer sog. Unerlaubten Handlung, im Rechtsdeutsch einem Delikt, begründen.
Als erste Möglichkeit kam hier ein Verstoß gegen eine bestimmte Vorschrift des Wertpapierhandelsgesetzes in Frage, nach welcher es verboten ist, Kunden den Ankauf von Wertpapieren zu empfehlen, wenn die Empfehlung nicht den Interessen des Kunden entspricht. Nach Ansicht des vorbefassten OLG Frankfurt war diese Vorschrift verletzt. Sie schütze den Anleger, der deswegen Schadensersatz fordern könne. Anders der BGH: Nach dessen Ansicht sei die verletzte Vorschrift gerade keine anlegerschützende, da dies zu einer Haftung jedes fahrlässig handelnden Mitarbeiters eines Wertpapierhandelsunternehmens (auch der Geschäftsführer ist insoweit nur Mitarbeiter) führen würde. Diese stünden dann schlechter als die Mitarbeiter anderer Unternehmen, die nur bei besonderen Voraussetzungen haften müssen – etwa bei besonderen Vertrauenspositionen oder bei der vorsätzlichen Schadenszufügung. Mit einer solchen Begründung können daher die Mitarbeiter von Wertpapierhandelsunternehmen nicht in die Haftung genommen werden.
Der BGH hat aber eine andere Möglichkeit im Sinne des Anlegers geprüft, die auch außerhalb der Wertpapierberatung für Anlageberater und Vermittler relevant werden dürfte: die vorsätzliche sittenwidrige Anlegerschädigung. Die Bundesrichter stellten dabei zunächst einmal fest, das hier grundsätzlich eine falsche Anlageempfehlung gegeben wurde, da die erworbenen Aktien nicht den Anlagezielen und der Anlagestrategie des Klägers entsprachen. Dieser sei nur moderat risikobereit gewesen, bei ausgewogenem Verhältnis zwischen Chancen und Risiko. Dem widersprach aber die Empfehlung des Erwerbs ausschließlich eines einzigen, zumal nicht börsennotierten Unternehmens. Die Empfehlung war auch deswegen falsch, weil der Anleger an Stelle der gekündigten Lebensversicherungen eine adäquate zusätzliche Altersvorsorge erwerben wollte. Ausschließlich spekulative Produkte sind dafür nach Ansicht des BGH ungeeignet.
Auf dieser Grundlage kommt der BGH zu dem Schluß, das hier eine Haftung wegen vorsätzlicher Falschberatung eingreifen kann. Denn, so die Karlsruher Richter, ein Anlageberater, der vorsätzlich eine anleger- und objektwidrige Empfehlung abgibt und die Schädigung des um Rat fragenden Anlegers zumindest billigend in Kauf nimmt, ist dem Anleger wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zum Schadensersatz verpflichtet. Handelt der Berater nicht vorsätzlich, sondern wird die Empfehlung „nur“ aufgrund grob fahrlässigen Verhaltens leichtfertig in unrichtiger Weise abgegeben, ist sie dann als sittenwidrig zu werten, wenn sie erkennbar für die Entschließung des Anlegers von Bedeutung ist und in Verfolgung eigener Interessen in dem Bewusstsein einer möglichen Schädigung des Anlegers abgegeben wird.
Die Feststellung des Vorsatzes ist sehr schwierig. Hier müssen die Gerichte häufig mit Indizien arbeiten. Hierfür hält der BGH es für relevant, das der Beklagte unzutreffender Weise gesagt habe, er werde das Kapital in gemischten Aktienfonds anlegen und es sich bei der V. AG um einen solchen gemischten Aktienfonds handele. Den Kläger treffe kein Totalverlustrisiko, er könne mit einem Wertzuwachs von 50.000 € auf 75.000 € binnen zehn Jahren rechnen und einer Wertsteigerung von 14% auf den Kaufpreis innerhalb von zwölf Monaten ab dem auf den Spätherbst 2004 geplanten Börsengang der V. AG, die durch ein Sicherungskonzept garantiert sei.
Die Kündigung bestehender Alterssicherungsverträge zur Investition in spekulative Anlageformen des grauen Kapitalmarktes ist nach den Erfahrungen der Rechtsanwaltskanzlei Röhlke gang und gäbe. Dabei wird oft die angeblich Eignung des neuen Investments für die Alterssicherung herausgestellt. Mit der aktuellen Entscheidung des BGH können Anleger ihre Ansprüche auch gegen die Vertriebsmitarbeiter richten.
„In vielen Fällen resultiert die Anlageempfehlung nicht aus den Bedürfnissen des Kunden, sondern aus der Höhe der Provision für den Berater. Verluste der Anleger sind den Vermittlern meist egal, sie werden billigend in Kauf genommen. Damit liegen die Voraussetzungen für eine persönliche Haftung vor,“ so der Berliner Rechtsanwalt Christian-H. Röhlke.