Bundesregierung: Verbraucherschutz bei cold-calls

vom 12. März 2008

Neulich Abend klingelt bei Familie Klient das Telefon:

„Einen wunderschönen guten Abend, Müller von der Pfefferminzia Finanzberatung AG am Apparat, dürfte ich bitte Herrn Klaus Klient persönlich sprechen?“
Am Apparat
„Herr Klient, mit meinem Namen werden Sie sicher nichts anfangen können, aber der Name Rudi Referenzgeber, der ist Ihnen bekannt?“
Ja
„Herr Klient, ich war neulich bei Herrn Referenzgeber gewesen…wir haben uns über das Thema Steuern unterhalten und dabei haben wir zwei Dinge festgestellt : Dass er weit mehr Steuern an das Finanzamt abführt, als er vorher dachte…An der Stelle hätte ich eine Frage, Herr Klient, zahlen Sie Steuern?“
Ja
„Zahlen Sie diese Steuern gerne?“
Nein
„Herr Klient, wenn es eine Möglichkeit gäbe, bei der Sie auf der einen Seite Steuern sparen und auf der anderen Seite 200,00 – 400,00 € mehr Nettolohn bekommen würden, wäre das interessant für Sie?“
Ja!
„Das hat mir Herr Referenzgeber auch gesagt. Jetzt stellt sich nur noch die Frage, wann haben Sie dafür einnmal eine halbe Stunde Zeit?“

Dieser Dialog entstammt fast wörtlich den Schulungsunterlagen der inzwischen insolventen Futura Finanz und wurde den Mitarbeitern als mustergültiges „Aquisitionsgespräch“ beigebracht. Auf diesem Wege sollten die Mitarbeiter der Futura durch sog. Kaltaquise-Gespräche oder auch cold-calls einem Termin mit dem künftigen Klienten vereinbaren, bei dem dann das jeweils aktuelle Kapitalanlageprodukt aus dem Sortiment der Futura an den Mann gebracht wurde.

Cold-Calls sind gesetzlich verboten: sie stellen eine unzumutbare Belästigung des Verbrauchers dar und sind vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verboten. Nur kümmert sich anscheinend niemand darum. Und so werden Tag für Tag Gespräche mit Verbrauchern geführt, an deren Ende Termine zur Finanzberatung vereinbart werden oder Telefonverträge geändert oder neu abgeschlossen werden, Gewinnspiele oder Zeitungsabos verkauft werden.

Bundesjustizministerin Zypries und Bundesverbraucherschutzminister Seehofer stellten nun ein Maßnahmenprogramm vor, mit dem derartige Auswüchse besser bekämpft werden sollen. So ist vorgesehen, das Verbraucher künftig am Telefon abgeschlossene Verträge über Zeitschriftenabos und Wett- und Lotterieverträge mit einem zweiwöchigen bedingungslosen Widerrufsrecht zu versehen.

Sog. „untergeschobene Verträge“ im Bereich der Telekommunikationsdiensteleitungen sollen künftig nur noch schriftlich wirksam sein. Der Anrufer muß künftig seine Rufnummer offenlegen, wobei Verstöße hiergegen naturgemäß schwer zu verfolgen sind. Bei Verstößen sollen Bußgelder drohen von 50.000,00 € drohen, die allerdings von den Ordnungsbehörden zu Gunsten des Staates verhängt werden.

Allerdings ist der Verbraucher auch bisher nicht schutzlos den Anrufen ausgesetzt. Denn obwohl das Wettbewerbsrecht nur für Unternehmen gilt und gerade nicht für Verbraucher, sind die Wertungen des bestehenden gesetzlichen Verbots übertragbar.

Auch der Verbraucher kann schon jetzt vor Gericht vom Anrufer Unterlassung verlangen: er hat das Recht, in seiner Privatsphäre in Ruhe gelassen zu werden. Die Unterlassung kann im einstweiligen Rechtschutz geltend gemacht werden, was sehr schnell geht. Bei Ausspruch einer solchen Unterlassungserklärung muß der Anrufer auch die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Unterlassungsgebot gilt dann nur zwischen dem einzelnen Verbraucher und dem Unternehmer.

Voraussetzung ist aber immer, das sich der Verbraucher bei dem Anrufer genau nach der Firmenbezeichnung, der Rechtsform und der Anschrift der Firma erkundigt, am Besten auch nach dem Namen des jeweiligen Anrufers. Denn nur so kann das Gericht auch die ergangene Verfügung zustellen.

Eine andere Möglichkeit ist, etwaige Verstöße genau zu protokollieren und schnell der örtlichen Verbraucherzentrale zu melden. Diese kann dann stellvertretend mit allgemeiner Wirkung vor dem Gericht eine Unterlassung unerwünschter Anrufe verlangen.

Entsprechende Erfahrungen hat z.B. der Allgemeine Wirtschaftsdienst (AWD) aus Hannover machen müssen. Das Landgericht Hannover hat mit Urteil vom 13. Juli 2004 (24 O 62/04) dem AWD derartige Anrufe zur Vereinbarung eines Termines für eine Finanzberatung untersagt, wenn die Verbraucher nicht zuvor einer telefonischen Kontaktaufnahme zugestimmt haben.

„Die Gesetzesinitiative der Bundesregierung wird unseriöse Finanzberater nicht davon abhalten, weiter unzulässige cold-calls zu betreiben“, so der Berliner Rechtsanwalt Christian-H. Röhlke, der bereits mehrere Unterlassungsverfügungen erwirkt hat. „Bei den so vereinbarten Terminen werden dann wie bisher die Verbraucher mit zweifelhaften Kapital- und Immobilienangeboten versorgt.“

Diese Folgeverträge unterliegen dann den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln und können teilweise nicht mehr widerrufen werden, z.B. bei so zustande gekommenen Immobilienanlagen mit notarieller Beurkundung.

Kapitalanleger sollten generell davon absehen, bei einem cold-call Termine für Finanzberatungen zu vereinbaren. Bei einem solchen Termin sollte keinesfalls ein Vertrag unterzeichnet werden, sondern das Angebot in Ruhe geprüft werden, zweckmäßigerweise durch Hinzuziehung eines Anwalts, der Verbraucherzentrale oder aber eines unabhängigen Finanzberaters.

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Über RA Christian Röhlke

Die Kernkompetenz der Kanzlei liegen im Bereich des Kapitalanlagenrechts und der angrenzenden Gebiete des Zivilrechts, insbesondere im Handels- und Gesellschaftsrecht. Kapitalanlagenrecht Hauptsächlich werden Anleger im Bereich unrentabler stille Beteiligungen oder steuerbegünstigter Immobilienfonds betreut. Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei Kleinverdienern, denen vermietete Eigentumswohnungen zur Altersvorsorge als "Immobilienrente" schmackhaft gemacht wurden. Handelsrecht Ein wesentlicher Tätigkeitsschwerpunkt ist auch das Recht der Handelsvertreter, die Regelungen über Provisionen, Buchauszüge, Wettbewerbsverbote etc.