Augen auf im Kapitalanlagenverkehr
Der finnische Handyriese Nokia soll Medienberichten zufolge seinen 2.300 Mitarbeitern im Bochumer Werk großzügige Abfindungen nach der griffigen Formel „Beschäftigungsdauer mal Bruttomonatsgehalt mal Alter geteilt durch 20“ anbieten. Insgesamt sollen dies 185 Millionen € für ca. 2.300 Mitarbeiter ergeben. Damit dürfte Nokia auch der Bochumer Kapitalanlagenbranche ein schönes Geschenk gemacht haben, denn diese findet sicherlich eine mehr oder weniger lukrative Möglichkeit, das Geld anzulegen und den ex-Nokianern Kapitalanlagemodelle auch des ungeregelten Kapitalmarktes anzubieten. Bei einer Provision von ca. 10 % ergibt dies für die Vermittler ein ansehnliches Geschäft, bei dem auch die Zielgruppe klar erkennbar ist – Sie marschiert bei jedem Schichtende aus den Werkstoren und muß nur nach dem alten Verkäufermotto bearbeitet werden: Anhauen, umhauen, abhauen.
Was aber können die freigesetzten Mitarbeiter tun, um nicht auch noch die Abfindung in dubiosen Kapitalanlagenmodellen zu verlieren? Hier einige Tipps – auch für andere Kapitalanleger geeignet:
1. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen und prüfen Sie das Angebot genau
Auch wenn der freundliche Mitarbeiter, auf deutsch inzwischen „Finance Consultant“ der Pfefferminzia Finanzberatungs AG Ihnen diese einmalige, hoch lukrative und absolut sichere Kapitalanlagemöglichkeit nur für kurze Zeit anbieten kann und alle Ihre Kollegen angeblich schon Schlange stehen – bleiben Sie ruhig, schlafen Sie mindestens drei Nächte drüber, lassen Sie sich nicht unter Druck setzen.
2. Nehmen Sie immer einen Zeugen mit
Niemals – wirklich niemals – ohne Zeugen bei einem Beratungsgespräch zu erscheinen, sichert Ihnen bei einem später evtl. nötigen Gerichtsprozess wichtige Beweismittel. Wenn der Zeuge Ihr Lebenspartner ist, achten Sie darauf, das nur einer der Partner die Verträge unterschreibt und nicht beide – sonst ist der Zeugenvorteil wieder futsch.
3. Lassen Sie sich handschriftliche Notizen und Berechnungen des Vermittlers aushändigen
Oft rechnen die Vermittler Ihnen handschriftlich vor, wie toll sich die Kapitalanlage für Sie rechnet, oder Sie zeigen Ihnen vorgefertigte Berechnungen für Musteranleger. Diese Berechnungen sind meist auf den ersten, flüchtigen Blick stimmig – weil einige Rechnungsposten geschönt oder weggelassen wurden. Kein Wunder, das unseriöse Vermittler Ihnen solche Berechnungen wieder wegnehmen. Achten Sie darauf, das diese wertvollen Beweismittel Ihnen nicht verloren gehen ( vgl. z.B. die Wichtigkeit derartiger Musterberechnungen im Urteil BGH V ZR 308/02 vom 14. März 2003)
4. Lassen Sie sich Versprechungen schriftlich geben
„So wahr ich hier vor Ihnen sitze: die Sache ist sicher. Vertrauen Sie mir, würde ich Ihnen etwas Unseriöses verkaufen? Ein Risiko besteht nur bei Kriegsausbruch, Erdbeben oder einer Invasion vom Mars. Ich habe das doch selbst auch unterzeichnet. Sie erhalten ganz sicher 10 % Ausschüttung jedes Jahr, können die Anlage jederzeit wieder versilbern oder bei einer Bank beleihen. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Hand drauf.“ Über derartige Versicherungen berichten geprellte Kapitalanleger jeden Tag – beweisen können Sie diese in den seltensten Fällen. Deshalb: lassen Sie sich nicht von schönen Versprechungen und Anpreisungen einwickeln und fordern Sie den Finanzberater auf, so etwas schriftlich Ihnen zu bestätigen.
5. Suchen Sie unbedingt einen spezialisierten Anwalt auf
Eine anwaltliche Beratung über Sinn und Unsinn einer geplanten Kapitalanlage kostet bei vielen Anwälten wahrscheinlich nicht mehr als 200,00 € netto und lohnt sich wirklich: danach sind Sie wesentlich schlauer. Der Anwalt erläutert Ihnen Haftungsrisiken und mögliche Fallstricke, auch wenn er über den wirtschaftlichen Hintergrund der angebotenen Investition meist nichts sagen kann. Es gibt viele auf Kapitalanlagenrecht spezialisierte Anwälte.
6. Sprechen Sie mit Ihrer Hausbank
Sicher, auch die Hausbank ist kein neutraler Partner und hat ein Interesse, die Abfindung nach Möglichkeit in ein hauseigenes Bankprodukt fließen zu lassen. Trotzdem kann es nicht schaden, auch hier einmal nach deren Meinung über das Angebot des Herren von der Pfefferminzia zu sprechen.
7. Erkundigen Sie sich im Internet
Eine Google-Recherche mit dem Namen des Unternehmens, in das investiert werden soll, bringt vielfach Erstaunliches zu Tage. Warnungen vor Unternehmen werden vielerorts veröffentlicht, z.B. auf www.anlageschutzarciv.de, www.graumarktinfo.de, www.pro-anleger.de
8. Lesen Sie den Prospekt – es ist nicht „nur der Beipackzettel“
„Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden können. Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Dabei dürfen die Prospektverantwortlichen allerdings eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts bei den Anlegern voraussetzen.“
Dieses etwas trockene Zitat aus der BGH Entscheidung III ZR 298/05 vom 06.03.2008 verdeutlicht, worum es geht: eine ordnungsgemäße Risikoaufklärung kann auch durch einen Prospekt erfolgen. Das heißt natürlich, dass alle Risiken in dem Prospekt stehen müssen und es meist auch tun. Wenn Sie sich also die entsprechenden Seiten im Prospekt mit den Risikohinweisen einmal durchlesen und diese auch ernst nehmen, wissen Sie meist, worauf sie sich einlassen. Es handelt sich hier nicht um einen unverbindlichen, gesetzlich vorgeschriebenen „Beipackzettel“, den Sie auch später noch einmal lesen können.
9. Lassen Sie sich das Prospektprüfungsgutachten zusenden
Nur ein ordnungsgemäßer Prospekt ist für Ihre Aufklärung ausreichend. Die Kapitalanlagegesellschaft lässt meistens ein sog. Prospektprüfungsgutachten anfertigen, um von einem Wirtschaftsprüfer bestätigen zu lassen, dass keine Prospektfehler vorliegen. Dieses Gutachten sollten Sie vor Vertragsunterzeichnung anfordern und durchlesen – es klärt Sie noch weiter über die Risiken der Kapitalanlage auf und verschafft Ihnen für den Fall der Fälle einen weiteren Haftungspartner: denn der Wirtschaftsprüfer, der einen nicht ordnungsgemäßen Prospekt als mangelfrei testiert, haftet aus einem sog. Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter auch gegenüber dem Anleger (BGH Urteil III ZR 219/06 vom 6. März 2008).
10. Legen Sie nicht alle Eier in einen Korb
Eigentlich eine Binsenweisheit: Stecken Sie nicht ihre gesamte Abfindung in eine einzige Kapitalanlage, sondern streuen Sie das Risiko.
11. Seien Sie vorsichtig bei Beratungsprotokollen
Der Berater wird Ihnen ziemlich sicher ein „Beratungsprotokoll“ vorsetzen zur Unterschrift, in welchem Bestätigungen von Ihnen über eine ordnungsgemäße Beratung über Risiken etc. verlangt werden. Seien Sie hier vorsichtig: die Protokolle sind meist so allgemein gehalten, das damit ein weitegehender Effekt eintritt und Sie eine Beratung bestätigen, die Sie niemals erhalten haben oder einen Prospekt quittieren, den Sie niemals erhalten haben. Bestätigen Sie im Zweifelsfalle lieber zu wenig als zu viel.
12. Seien Sie mißtrauisch
Es stecken bis zu 20 % Provisionen in Graumarktprodukten – der freundliche Mann von der Pfefferminzia will also nur Gutes tun, zumindest für sich selbst. Niemand will Ihnen etwas schenken. Fragen Sie den Vermittler doch einfach mal nach seinem eigenen Kontostand und wieso er, der so gute Anlagetipps auf Lager hat, es noch nötig hat, sich bei Schichtwechsel vor dem Werkstor die Beine in den Bauch zu stehen und den Mund fusselig zu reden, anstatt auf Mallorca dem Sonnenuntergang zuzusehen. Erstaunlich viele Finanzberater sind total verarmt und haben bereits die eidesstattliche Versicherung („Offenbarungseid“) geleistet.